MdB Martina Renner in Hildesheim über rechten Terror

Der größte Antiterror-Einsatz in der Geschichte der Bundesrepublik erfolgte Ende letzten Jahres gegen die rechtsterroristische Untergrundorganisation „Patriotische Union“: 67 Beschuldigte und 100 weitere verfahrensrelevante Personen erwarten deshalb in einem Verfahren an vier verschiedenen Oberlandesgerichten ihren Prozess – allein diese Zahlen zeigten die Größe und damit auch die Bedrohlichkeit rechter Gewalt in Deutschland. Ihr Ziel: Mittels eines bewaffneten Überfalls auf den Bundestag und weitere Ziele die Demokratie abzuschaffen und selbst die Herrschaft in Deutschland zu übernehmen. Was nach einem schlechten Film klingt, ist leider Realität – das konnten die Zuhörer bei einem Vortrag der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner am 11. November in Hildesheim erfahren. Gefährlich war die „Patriotische Union“ laut Renner vor allem wegen ihres Zugangs zu Waffen und dem notwendigen Wissen, da sich unter ihren Mitgliedern allein 36 Reservisten und zwei aktive Bundeswehrsoldaten befanden. Eines ihrer Mitglieder stammte auch aus Alfeld, nämlich der ehemalige Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch. Pikanterweise war gerade Fritsch, unter anderem niedersächsischer Spitzenkandidat der Partei „Die Basis“ für die Bundestagswahl 2021 und Mitglied der impfkritischen Organisation „Polizisten für Aufklärung e.V.“, während seiner Dienstzeit bei der Polizei mit dem Schutz jüdischer Einrichtungen betraut.


Als Hauptproblem bezeichnete Renner, zugleich Sprecherin für antifaschistische Politik ihrer Fraktion und Mitglied im Innenausschuss des Bundestags, den verbreiteten Waffenbesitz in der rechten Szene, da dieser die Grundlage für rechten Terror sei. Neben einer rein zahlenmäßigen Zunahme des Waffenbesitzes bei der extremen Rechten gebe es außerdem eine Tendenz zu immer durchschlagskräftigeren Kriegswaffen, die oftmals planmäßig bei Polizei und Armee abgezweigt oder im Ausland erworben würden. Zahlreiche Mitglieder dieser Szene seien außerdem aktive oder ehemalige Mitglieder von Spezialeinheiten wie dem KSK (Kommande Spezialkräfte) der Bundeswehr, dessen 2. Kompanie 2020 wegen zahlreicher rechtsextremer Vorfälle aufgelöst wurde. Dabei würden die verschiedenen Gruppen zwar unterschiedliche Vorgehensweisen planen und über keine gemeinsame, hierarchische Organisation verfügen, seien jedoch oftmals über persönliche Kontakte vernetzt. Auch Kontakte zur AfD seien weit verbreitet, so saß ein Mitglied der „Patriotischen Union“, die ehemalige Richterin Birgit Malsack-Winkemann, von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag.


In der anschließenden Diskussionsrunde ergab sich unter anderem die Frage, was denn auf kommunaler Ebene und vor Ort gegen diese rechtsextremen Umtriebe zu tun möglich sei. Auch hierfür hatte Renner verschiedene Antworten: Zum einen sollten regionale Recherchenetzwerke, wie etwa das Antifaschistische Infoblatt, aber auch von rechter Gewalt betroffene Personen unterstützt werden. Gerade bei letzteren handele es sich oft auch um Kommunalpolitiker, die aus rechten Kreisen unter Druck gesetzt würden. Auf Ebene der Kommunen könnten die zuständigen Behörden den Waffenbesitz von Mitgliedern rechter Gruppierungen abfragen, waffenrechtliche Erlaubnisse entziehen und die Waffen im besten Falle beschlagnahmen. Hierzu sollten die Behörden aufgefordert werden. Auch die AfD gehöre verboten, da sie in weiten Teilen rechtsextrem sei und mit ihrer rassistischen und demokratiefeindlichen Propaganda einen ideologischen Nährboden für gewaltbereite rechtsextreme Gruppierungen schaffe. Linken-Kreisvorstand Ferry Marquardt bezog dazu eindeutig Stellung: „Auch in Hildesheim gibt es die AfD und Nazischmierereien an der Kirche. Grund genug, vor Ort antifaschistisch tätig zu werden! Die Stadt sollte ganz konkret antifaschistische Gruppen unterstützen, sie sollte aber auch gleichzeitig die Lebens- und Wohnsituation der Menschen verbessern, damit deren Unzufriedenheit nicht von rechten Rattenfängern genutzt werden kann.“ Marquardt bezieht sich hiermit auf die über 1000 Wohnungen, die trotz zahlreicher Wohngesuche und obdachloser Menschen in Hildesheim aktuell leer stehen und auf die 888 Wohnungen, die in den letzten zehn Jahren aus der Preisbindung für Sozialwohnungen herausgefallen sind.


Der Vortrag erfolgte im Anschluss an die von Vorstandsmitglied Jonathan Kühnel geleitete Kreismitgliederversammlung der Linken. Bei dieser wurde Maik Brückner, Linken-Ratsherr in Hildesheim, neu in den Kreisvorstand gewählt. Hier war ein Platz frei geworden, da das ehemalige Vorstandsmitglied Lars Leopold kürzlich aus der Partei ausgetreten ist. Brückner berichtete unter anderem von der Arbeit der Hildesheimer Stadtratsfraktion, die sich insbesondere für sozialen Wohnungsbau einsetze. Außerdem wurde ein regelmäßiges Treffen von Mitgliedern und Mandatsträgern geplant sowie zur Teilnahme an der Friedensdemo in Berlin am 25.11. aufgerufen – hierfür gebe es noch Plätze im Bus ab Hannover, die über den Kreisvorstand vermittelt würden. Kühnel konstatierte weiterhin für den Kreis eine stabile Mitgliederentwicklung und auch Brückner berichtete von der Bundesebene über eine positive Stimmung seit dem Parteiaustritt Sarah Wagenknechts. So konnte auf der Versammlung auch gleich ein neues Mitglied begrüßt werden: Johannes Adam aus Sarstedt beteiligte sich lebhaft an der Diskussion und äußerte im Anschluss an die Mitgliederversammlung seine Eindrücke: „Die Veranstaltung hat mir gezeigt, dass ich in die richtige Partei eingetreten bin: Antifaschismus und Politik für bezahlbaren Wohnraum sind heute so wichtig wie noch nie.“