Antworten von Ralf Jürgens zur Wohnungsfrage

Das Radio Tonkuhle fragt:

Der demographische Wandel schreitet voran, und Untersuchungen zufolge werden besonders sehr kleine und sehr große Wohnungen künftig gebraucht. Wie wollen Sie als politischer Entscheidungsträger dafür sorgen, dass es genug bezahlbaren Wohnraum gibt?


Ralf Jürgens, Kandidat für den Stadtrat Hildesheim, für den Kreistag und für den Ortsrat Neuhof antwortet:

Es gibt zu wenig Wohnungen für 1- und 2-Personenhaushalte

In Hildesheim besteht vor allem eine Unterversorgung an Wohnungen für Einpersonen-Haushalte und mit steigender Tendenz - auch für Zweipersonen-Haushalte. Deshalb steigen in diesem Wohnungssegment die Preise für Neuvermietungen an. Auch im Wohnungsbestand sind Mieterhöhungen festzustellen - auch in Wohnungen für größere Haushalte. Zurückgehende Nachfrage nach Neuvermietungen finden wir im Bereich der Dreipersonen- und der Vierpersonen-Haushalte und mehr. Horrenden* Mietsteigerungen, wie in den Metropolen (Hannover etc.) wirken sich bereits in Städten wie Hildesheim aus. Die Explosion der Mieten in den Metropolen aber ist in Hildesheim noch nicht angekommen.

Viele Haushalte mit niedrigem Einkommen

In Hildesheim beträgt der Anteil der Haushalte mit Niedrigeinkommen etwa 25,1 % mit steigender Tendenz(1). Das sind 13697 Haushalte aller Haushalte 54566 ( Zahlen von 2014). In einigen Stadtteilen gibt es eine Tendenz zur Gentrifizierung(2), das heißt Haushalte mit höherem oder hohen Einkommen - die sogenannte urban orientierte Mittelklasse - verdrängen aufgrund ihres Zuzugs in großen* Wohnungen Menschen mit niedrigeren Einkommen aus den Quartieren. Das betrifft vor allem die Nordstadt, Oststadt und die Innenstadt. Es fehlen vor allem Wohnungen für die unteren Einkommensbezieher im Ein- und Zweipersonen-Haushalt. Es fehlen Wohnungen für alleinstehende Altersgrundsicherungsbezieher. Altersarmut nimmt in Hildesheim deutlich zu.

Neubau von 600 Sozialwohnungen dringend

In Hildesheim müssen bis 2030 etwa 1500 Wohnungen neu gebaut werden. Dies gilt bei der Aktivierung aller 900 Wohnungen, die Ende 2014 in Hildesheim leer standen. Wenn davon nur die Hälfte durch Modernisierung etc. wieder vermietbar würde, liegt der Neubaubedarf bei knapp 2000 Wohnungen bis 2030. Da in Hildesheim ein großer Anteil von Niedrigeinkommensbeziehern leben, ist vor allem preisgebundener, bezahlbarer Wohnraum für 1 bis 2-Personenhaushalte zu schaffen. Eine politische und finanzielle Förderung durch den Stadtrat ist dringend. Hier muss die Stadt Prioritäten setzen. Der Herausfall von jährlich durchschnittlich 58 Wohnungen aus der Sozial- und Mietpreisbindung in Hildesheim ist zu stoppen und die Tendenz umzukehren. Keine weitere Privatisierung öffentlich geförderter Wohnungen.

Finanzausstattung der Kommunen erhöhen

Die Bundes- und Landesmittel für soziale Wohnraumförderungen müssen ebenfalls erhöht werden, dafür muss sich der gesamte Stadtrat in den überregionalen Verbänden wie dem Städtetag vehement einsetzen.Als Novum trete ich dafür ein, dass der Stadtrat auch an politischen Aktionen zum Beispiel in Berlin für eine nachhaltige Erhöhung der Finanzausstattung der Kommunen teilnimmt und diese gegebenenfalls auch initiiert. Eine Umschichtung von Bundes- und Landesmitteln, die ja in den Städten und Gemeinden erwirtschaftet werden – wo sonst? - hin zu den Kommunen ist erforderlich. Dies gilt noch in höherem Maß für die strukturschwachen, unter Bevölkerungsrückgang leidenden Städte, Flecken und Dörfern im Süden des Landkreises Hildesheim.

Dörfer und Außenstadtteile stärken

Vor Ort ist auch auf die Sicherung und Steigerung der Attraktivität der dörflichen Kerne der Außenstadtteile Hildesheims Wert zu legen. Die Infrastruktur an Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung bis hinzu Kommunikationsmöglichkeiten und Einrichtungen für Sport und zum Feste feiern (Restaurants,Dorfgemeinschaftshäuser, Jugendräume) sind zu erhalten und auszubauen. Das gilt natürlich auch für die Dörfer des Landkreises.

Barrierefreies Wohnen fördern

Ein Augenmerk muss die Stadt auf die Förderung barrierefreien Wohnens für ältere Menschen und für Alleinerziehende und Familien mit Kindern legen. Die Zahl der Menschen mit einem Lebensalter über 65 Jahren nimmt in Hildesheim deutlich zu.

Stromsperren abschaffen

Die Stadt soll im Rahmen ihrer Möglichkeiten die einkommensarmen Haushalte auch von den Nebenkosten beim Wohnen entlasten. Es sind kostenfreie Grundkontingente bei Strom, Gas und Wasser einzuführen. Stromsperren lehnen wir strikt ab, da das eine nicht hinnehmbare Verletzung der sozialen Menschenrechte darstellt. Das Recht auf Wohnung ist unserer Ansicht nach ein Grundrecht.

Runder Tisch

Ein runder Tisch Wohnungsbau und Wohnungspolitik ist halbjährlich mit allen Akteuren in der Stadt im Bereich Wohnen durch den Stadtrat zu veranstalten. Das Wohnraumversorgungskonzept, dass der Stadtrat 2015 ausarbeiten ließ, ist regelmäßig zu evaluieren und hinsichtlich der darin enthaltenen Prognosen zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.

 

Anmerkungen:

(1)Alle Zahlen zu den Haushalten und zum Wohnungsbedarf aus dem Wohnraumversorgungskonzept der Stadt Hildesheim vom Oktober 2015

(2)Die Gentrifizierung, ebenso Gentrifikation, ist ein aus der Stadtsoziologie kommender Begriff undbeschreibt spezifische sozioökonomische Umstrukturierungsprozesse in städtischen Wohngebietenals ein Phänomen der sozialen Ungleichheit. (Quelle: Wikipedia)